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Ein­lei­tung: His­to­ri­zi­tät und Ent­ste­hung von Füh­rung

Füh­rung beschreibt die gewoll­te Ein­fluss­nah­me auf mensch­li­ches Han­deln. Sie dient dazu, Men­schen Halt, Struk­tur und Ori­en­tie­rung zu geben (Sta­eh­le, 1999). Gute Füh­rungs­kräf­te sind heu­te ein ent­schei­den­der Erfolgs­fak­tor für Orga­ni­sa­tio­nen, denn sie ermög­li­chen Sinn­stif­tung der Beschäf­tig­ten, Com­mit­ment, effekt­vol­les Pro­zess­ma­nage­ment und sinn­vol­les Chan­ge Manage­ment, wenn sie gut sind (Ling et. al., 2018).

 Seit es mensch­li­che Gesell­schaf­ten und mit­ein­an­der arbei­ten­de Grup­pen gibt, hat es Füh­rung gege­ben (Buss, 2005). Füh­rung war zuerst natür­lich die poli­ti­sche Füh­rung von Gemein­we­sen, wel­che nötig war, um Anar­chie und Bür­ger­krie­ge zu ver­hin­dern (Hob­bes, 1992). Gear­bei­tet und koope­riert wur­de aber immer auch in Grup­pen, sei­en es Hand­wer­ker­zünf­te (Wink­ler 2009, S. 105) oder die Beschäf­tig­ten in den Fami­li­en­un­ter­neh­men. Mit der auf­kom­men­den Indus­tria­li­sie­rung wur­de an den Maschi­nen und Fließ­bän­dern zusam­men­ge­ar­bei­tet, was jeweils auch unter einer Füh­rung statt­fand, wel­che sehr harsch und dis­zi­pli­nie­rend wirk­te (Fou­cault, 1994).

Zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts kam dann das so genann­te „Sci­en­ti­fic Manage­ment“ bzw. der Tay­lo­ris­mus auf. Die­ser setz­te auf eine kla­re Unter­glie­de­rung von Arbeits­auf­ga­ben, die strik­te Tren­nung von Hand- und Kopf­ar­beit. und hat­te Hier war das unbe­ding­te Ziel jenes der Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­rung (Ner­din­ger, 2014; Greif, 2007). Das Pro­blem hier­bei war, dass der Fak­tor Mensch nahe­zu völ­lig aus­ge­blen­det wur­de, und zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen, aber auch den Bedürf­nis­sen der Beschäf­tig­ten so gut wie kei­ne Rech­nung getra­gen wur­de. Dar­aus ent­stand dann der human-rela­ti­ons-Ansatz (Weibler, 2013; Kauf­feld & Sau­er, 2011), wel­cher auf zwi­schen­mensch­li­che Aspek­te fokus­sier­te und weg vom rei­nen Leis­tungs­den­ken und Pro­duk­ti­vis­mus ging. Hier zeig­te sich dann aber auch, dass es nicht nur die Auf­ga­ben und der Fokus auf zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen lie­gen soll­te, son­dern dass Füh­rung weit mehr ist. Denn Füh­rung fin­det für und mit Men­schen statt

Heu­te ist klar, dass orga­ni­sa­tio­na­les Füh­rungs­han­deln viel­schich­tig, höchst anspruchs­voll und sehr kom­plex ist (Malik, 2011). So wie es sehr vie­le unter­schied­li­che Orga­ni­sa­tio­nen und Arten des Arbei­tens in einer aus­dif­fe­ren­zier­ten Wirt­schaft und Gesell­schaft gibt (Luh­mann, 1994), so fin­det Füh­rung heu­te höchst unter­schied­lich statt. Daher gibt es kon­se­quen­ter­wei­se heu­te sehr vie­le ver­schie­de­ne theo­re­ti­sche Füh­rungs­an­sät­ze, die teil­wei­se unter­ein­an­der inkom­pa­ti­bel sind (Sta­eh­le, 1999). Einig­keit besteht dar­über, dass es nicht den einen rich­ti­gen Füh­rungs­stil gibt, son­dern dass die Füh­rung je nach Orga­ni­sa­ti­on, Bran­che und kon­kre­ter Unter­neh­mens­si­tua­ti­on ange­passt wer­den muss. Dies kann als das Kon­tin­genz­prin­zip der Orga­ni­sa­ti­on bzw. der Füh­rung bezeich­net wer­den kann (Scherm & Pietsch, 2013). Den­noch gibt es bestimm­te gene­ra­li­sier­ba­re Füh­rungs­prin­zi­pi­en, die sich sowohl zusam­men­fas­sen als auch ope­ra­tio­na­li­sie­ren und damit zwi­schen Füh­rungs­kräf­ten ver­glei­chen las­sen.

Klas­si­sche Füh­rungs­theo­ri­en nach Weber

Es gibt zwei beson­de­re Theo­re­ti­ker der Füh­rung, deren Schrif­ten bis heu­te unser Ver­ständ­nis von Füh­rung maß­geb­lich prä­gen. Der eine ist der Sozio­lo­ge, His­to­ri­ker und Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Max Weber, der ande­re der bahn­bre­chen­de Sozi­al­psy­cho­lo­ge Kurt Lewin (Stro­ebe et. al., 2014). Gera­de letz­te­rer hat tie­fe sozi­al­psy­cho­lo­gi­sche Ein­sich­ten für die Füh­rung frucht­bar gemacht.

Max Weber unter­schied in sei­ner Anfang des 20. Jahr­hun­derts erstell­ten Füh­rungs­ty­po­lo­gie die tra­di­tio­na­le Füh­rung, die lega­le Füh­rung und die cha­ris­ma­ti­sche Füh­rung als rele­van­te Füh­rungs­ty­pen (Weibler, 2013). Tra­di­tio­na­le Füh­rung hängt eng mit dem Glau­ben an Aus­er­wählt­heit, an Patri­ar­cha­lis­mus und eine bestimm­te gege­be­ne Ord­nung zusam­men. Daher stellt die­ser Füh­rungs­stil in der Post­mo­der­ne einen Ana­chro­nis­mus dar. Lega­le Füh­rung basiert auf einer Regel, einem Gesetz, einer Wahl, einer bestimm­ten Form von men­schen­ge­mach­ter Legi­ti­ma­ti­on. Die­ser Füh­rungs­stil kann für das 20. Jahr­hun­dert ganz sicher Rele­vanz bean­spru­chen, denn im Zuge der Demo­kra­ti­sie­rung von Gesell­schaf­ten ging und geht es immer auch dar­um, Herr­schaft zu legi­ti­mie­ren, was dann im Ergeb­nis ent­spre­chend eine lega­le Herr­schaft bedingt (Mül­ler 2013, S. 49). Jedoch ist im Zuge der zuneh­men­den Ero­si­on klas­si­scher Auto­ri­tä­ten im Zuge des gesell­schaft­li­chen Wer­te­wan­dels auch die­ser Füh­rungs­stil zuneh­mend weni­ger zeit­ge­mäß (Bol­t­an­ski & Chia­pel­lo, 2006; Ing­le­hart, 1989).

Die cha­ris­ma­ti­sche Herr­schaft setzt hin­ge­gen auf die Kraft des Wor­tes und das Mit­tel der Über­zeu­gung (Weber, 2002; Weber, 1992). Hier geht es dar­um, für die eige­nen Ent­schei­dun­gen und Ide­en zu wer­ben und sie mit­tels einer guten Rhe­to­rik und per­sön­li­chen Glaub­wür­dig­keit (Aris­to­te­les, 2016; Cice­ro, 1997) an die Beschäf­tig­ten zu ver­mit­teln, um dann tat­säch­li­ches Com­mit­ment sowie per­sön­li­che Bin­dung an die Füh­rungs­kraft her­zu­stel­len. Natür­lich hat die­ser Füh­rungs­stil in der Geschich­te, ins­be­son­de­re im 20. Jahr­hun­dert, auch zu mas­si­ven Ver­wer­fun­gen geführt (Levits­ky & Ziblatt, 2018; Mül­ler, 2013; Hobs­bawn, 2012). Daher ist und bleibt es wich­tig, dass Cha­ris­ma bzw. cha­ris­ma­ti­sche Füh­rung einen ethi­schen Kom­pass besitzt (Cice­ro, 1997).

Die­ser Füh­rungs­stil, wel­cher auf dem Cha­ris­ma der Füh­rungs­kraft basiert, hat in den letz­ten Jah­ren eine erstaun­li­che Renais­sance erfah­ren (Ner­din­ger, 2014). Denn die Rede besitzt in der Gesell­schaft nach wie vor einen hohen Stel­len­wert (Stroh, 2011), und sie kann im Erfolgs­fall eines tun, was in unse­rer post­mo­der­nen Gesell­schaft immer wich­ti­ger ist: Sinn stif­ten (Mey­er et. al., 2016; Herr­mann et. al., 2012; Hei­deg­ger, 2006). Genau dies ist eine Kern­auf­ga­be der Trans­for­ma­tio­na­len Füh­rung, wel­che auf umfas­sen­de Über­zeu­gung und Mit­nah­me aller Beschäf­tig­ten aus­ge­rich­tet ist und im Kern Sinn stif­ten sowie die eige­ne Arbeits­rol­le klä­ren soll (Vin­cent-Höper et. al., 2017). Genau des­halb wird die Trans­for­ma­tio­na­le Füh­rung auch als eine Form der neo­charis­ma­ti­schen Füh­rung ange­se­hen (Pundt, 2017; Judge & Pic­co­lo, 2004).

Klas­si­sche Füh­rungs­sti­le nach Kurt Lewin

Kurt Lewin unter­schied ganz wesent­lich den betei­li­gungs­ori­en­tier­ten demo­kra­ti­schen Füh­rungs­stil vom auto­ri­tä­ren Füh­rungs­stil und dem lais­sez-fai­re-Füh­rungs­stil. Ihm ging es auch dar­um, einen ande­ren Füh­rungs­stil als den bis­her oft prak­ti­zier­ten auto­ri­tä­ren Füh­rungs­stil zu eta­blie­ren, weil er dar­in auch einen Bei­trag zur Demo­kra­ti­sie­rung der Gesell­schaft sah (Stro­ebe et. al., 2014).

Im demo­kra­ti­schen Füh­rungs­stil geht es dar­um, Men­schen zu betei­li­gen und mit­zu­neh­men. Ent­schei­dun­gen sind das Ergeb­nis von Bera­tun­gen und Ent­schei­dun­gen, bei denen vie­le Men­schen mit ein­be­zo­gen wer­den. Daher ist demo­kra­ti­sche Füh­rung immer auch par­ti­zi­pa­ti­ve Füh­rung (vgl. Mey­er et. al., 2016). Der demo­kra­ti­sche Füh­rungs­stil hat den Vor­teil, dass er sowohl eine hohe Mit­ar­bei­ter­mo­ti­va­ti­on bei­be­hält als auch ein hohes Com­mit­ment für getrof­fe­ne Ent­schei­dun­gen, da die­se ja selbst­be­stimmt sind (Weibler, 2014; Ner­din­ger, 2014). In ihm wird ein Kli­ma der Offen­heit und Krea­ti­vi­tät geschaf­fen bzw. bei­be­hal­ten (Zhou et. al., 2012; Bol­t­an­ski & Chia­pel­lo, 2006), was wich­tig ist, um sinn­voll inno­vie­ren zu kön­nen. Wesent­li­che Nach­tei­le des demo­kra­ti­schen Füh­rungs­stils sind eine ent­spre­chen­de Lang­sam­keit und anstren­gen­de und lang­at­mi­ge Dis­kus­sio­nen. Hin­zu kommt, dass nicht alle Men­schen das Bedürf­nis nach umfas­sen­der Par­ti­zi­pa­ti­on haben und direk­te Ansa­gen mehr schät­zen. Auch kön­nen sich Men­schen, die auto­ri­tä­re Füh­rung gewohnt sind, nicht sofort umstel­len und auf die­sen neu­en Füh­rungs­stil ein­las­sen.

Der auto­ri­tä­re Füh­rungs­stil sorgt dem­ge­gen­über für kla­re und schnel­le Ent­schei­dun­gen. Er hat klar defi­nier­te Zustän­dig­kei­ten und Ver­ant­wor­tun­gen. Das Pro­blem ist jedoch, dass die Eigen­in­itia­ti­ve und intrinsi­sche Moti­va­ti­on der Mit­ar­bei­ter unter­gra­ben wird (Dys­vik & Kuvaas, 2011). Jedoch gibt es einen zuneh­men­den gesell­schaft­li­chen Anspruch ins­be­son­de­re bei hoch qua­li­fi­zier­ten Arbeits­kräf­ten, dass die Arbeit zur Sinn­stif­tung, Selbst­ver­wirk­li­chung und intrinsi­schen Moti­va­ti­on bei­tra­gen soll (Reck­witz, 2018; Hill­mann, 2003). Genau des­halb wer­den die­se Arbeits­kräf­te häu­fig auch von einem auto­ri­tä­ren Füh­rungs­stil abge­schreckt. Nichts­des­to­trotz ist er in der frei­en Wirt­schaft, ins­be­son­de­re auch in Fami­li­en­un­ter­neh­men, nach wie vor anzu­tref­fen, wenn auch eher als neue Form eines pater­na­lis­ti­schen Füh­rungs­stils (Micus, 2015).

Der lais­sez-fai­re Füh­rungs­stil zeich­net sich dadurch aus, dass den Mit­ar­bei­ten­den beson­de­rer Frei­raum ein­ge­räumt wer­den soll. Es wird erst in Aus­nah­me­si­tua­tio­nen ein­ge­grif­fen und ansons­ten die Auto­no­mie der Beschäf­tig­ten betont. Jedoch zeigt sich regel­mä­ßig, dass die­ser Füh­rungs­stil sehr schlech­te Ergeb­nis­se erzielt, und zwar sowohl was die erbrach­te Leis­tung als auch die Zufrie­den­heit der Mit­ar­bei­ter angeht (Pundt, 2017; Judge & Pic­co­lo, 2004). Bei einer lais­sez-fai­re-Füh­rung wird meist erst in Aus­nah­me­si­tua­tio­nen ein­ge­grif­fen (so genann­tes „Manage­ment by Excep­ti­on“). Jedoch haben es orga­ni­sa­to­ri­sche Pro­ble­me häu­fig an sich, einen expo­nen­ti­el­len Ver­lauf zu haben, was bedeu­tet, dass sich die Din­ge dras­tisch ver­schlim­mern, sobald sich die ers­ten Sym­pto­me zei­gen, und pro­ak­ti­ves Gestal­ten die Pro­ble­me meist gar nicht erst hät­te ent­ste­hen las­sen. Hin­zu kommt: Es gibt ein­fach ein Bedürf­nis nach Füh­rung und kla­ren Struk­tu­ren bei einer Viel­zahl von Men­schen.

Eine Erkennt­nis ist jedoch immer wie­der zu beto­nen: Es gibt nicht den einen Füh­rungs­stil, der sich empi­risch als gene­ra­li­siert über­le­gen erwie­sen hat (Sta­eh­le 1999, S. 342). Und: Heut­zu­ta­ge geht es vor allem dar­um, dass Füh­rungs­han­deln resul­ta­tiv in Selbst­füh­rung der Beschäf­tig­ten über­geht (Bröck­ling, 2017).

Füh­ren in kom­ple­xen Zei­ten

Der Umgang mit Kom­ple­xi­tät ist heu­te die wohl wich­tigs­te Meta­fä­hig­keit von Füh­rungs­kräf­ten (Kirch­ner, 2018; Malik, 2011). Kom­ple­xi­tät bedeu­tet, dass es vie­le Sach­ver­hal­te gleich­zei­tig gibt, die unter­ein­an­der ver­netzt sind, häu­fig in intrans­pa­ren­ten Wirk­zu­sam­men­hän­gen sind und ein­zel­ne Ände­run­gen völ­lig uner­war­te­te Fern- und Neben­wir­kun­gen haben kön­nen (vgl. Dör­ner, 2010; Luh­mann, 1987).

Die­se gestie­ge­ne Kom­ple­xi­tät zu bewäl­ti­gen, stellt Orga­ni­sa­tio­nen und Füh­rungs­kräf­te vor ganz neue Her­aus­for­de­run­gen. Aus die­sem Anspruch her­aus ent­stammt die Ver­brei­tung von Qua­li­täts­ma­nage­ment-Sys­te­men (Brüg­ge­mann & Bre­mer, 2012), die stär­ke­re Betrach­tung der Pro­zess­or­ga­ni­sa­ti­on (Scherm, 2013) sowie die zuneh­men­de Ver­brei­tung holis­ti­scher Manage­men­t­an­sät­ze wie dem Total Qua­li­ty Manage­ment (Roth­lauf, 2014).

Die beson­de­re Her­aus­for­de­rung des Füh­rens in kom­ple­xen Zei­ten liegt dar­in begrün­det, dass es ein per­ma­nen­tes Nicht­wis­sen gibt. Die Infor­ma­ti­ons­men­ge ist nicht mehr ver­ar­beit­bar, es muss immer schnel­ler gehan­delt und ent­schie­den wer­den (Rosa, 2012) und es braucht Ambi­gui­tätsto­le­ranz, das heißt die Fähig­keit, mit wider­sprüch­li­chen Infor­ma­tio­nen umge­hen zu kön­nen (Kho­lin & Blick­le, 2015; Bröck­ling, 2007; Bol­t­an­ski & Chia­pel­lo, 2006). Dies fällt Men­schen in unter­schied­li­chen star­kem Maße leicht. Eines ergibt sich ganz deut­lich: Gera­de bei einem hohen per­sön­li­chen Kon­troll­be­dürf­nis ist es heut­zu­ta­ge immer schwe­rer zu füh­ren, da Kom­ple­xi­tät immer auch einen signi­fi­kan­ten per­sön­li­chen Kon­troll­ver­lust mit sich bringt. Hier darf es jedoch nicht dazu kom­men, dass vor der dras­tisch gestie­ge­nen Kom­ple­xi­tät kapi­tu­liert wird (Kirch­ner, 2018; Hara­ri, 2018).

Gera­de des­halb ist es aber auch so wich­tig, sowohl für sich selbst als auch für die geführ­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter eine Idee von Zukunft zu prä­sen­tie­ren, kla­re Struk­tu­ren und Vor­ga­ben zu machen und Ori­en­tie­rung zu bie­ten und den Sinn (Hei­deg­ger 2006, S. 151) der jeweils geleis­te­ten Tätig­kei­ten zu ver­mit­teln. All dies wird jetzt noch näher aus­ge­führt wer­den.

Ziel­set­zung als Füh­rungs­auf­ga­be

Es ist eine ele­men­ta­re und ori­gi­nä­re Auf­ga­be einer Füh­rungs­kraft, Zie­le zu set­zen (Malik, 2011; Hun­gen­burg & Wulf, 2011; Malik, 2006). Durch Zie­le fin­det eine Aus­rich­tung sowohl der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­on als auch der jeweils ein­zel­nen Mit­ar­bei­ter statt. Zie­le struk­tu­rie­ren und ener­ge­ti­sie­ren mensch­li­ches Ver­hal­ten und gene­rie­ren auch, wenn sie spe­zi­fisch und her­aus­for­dernd sind sowie per­sön­lich ange­nom­men wer­den, eine ent­spre­chen­de Arbeits­mo­ti­va­ti­on (Rhein­berg, 2002; Lat­ham & Locke, 1990).

Zie­le sind, sowohl wenn sie selbst gesetzt sind als auch wenn sie inter­na­li­siert wur­den, eine ganz wesent­li­che Kom­po­nen­te auch eines gelin­gen­den Selbst­ma­nage­ments (Bröck­ling, 2017; Schwen­de­ner et. al., 2017; König & Klein­mann, 2013). Denn durch Zie­le wird es viel ein­fa­cher, Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und Prio­ri­tä­ten zu set­zen. Eben Kom­ple­xi­tät zu redu­zie­ren.

Wich­tig ist, dass die Zie­le nicht ein­fach top down getrof­fen wer­den und Men­schen dann zu Zieler­fül­lungs­ge­hil­fen degra­diert wer­den. Sinn­vol­ler­wei­se gibt es par­ti­zi­pa­ti­ve Ziel­set­zungs­pro­zes­se, zum Bei­spiel was die abzu­lei­ten­den Jah­res­ent­wick­lungs­zie­le im Mit­ar­bei­ter­ge­spräch angeht (Hop­pe & Rau, 2017; Fie­ge et. al., 2013). Denn so ist eine viel höhe­re Akzep­tanz von Zie­len gege­ben, was nach­weis­lich deren Wirk­sam­keit ver­bes­sert. Genau des­halb ist es auch so wich­tig, dass Füh­rungs­kräf­te den Sinn der von ihnen gesetz­ten Zie­le adäquat kom­mu­ni­zie­ren. Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung beinhal­tet also die Set­zung spe­zi­fi­scher, her­aus­for­dern­der und moti­vie­ren­der Zie­le, die von den Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern auch inter­na­li­siert wer­den.

Orga­ni­sa­ti­on als Füh­rungs­auf­ga­be

Füh­rung besteht in erheb­li­chem Maße dar­an, alle Vor­aus­set­zun­gen dafür zu schaf­fen, dass alle Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter in einer Orga­ni­sa­ti­on adäquat arbei­ten kön­nen. Genau das beschreibt den inne­ren Kern des­sen, was Orga­ni­sa­ti­on aus­macht (Schrey­ögg, 2008; Malik, 2006).

Genau die­se Orga­ni­sa­ti­on des Arbei­tens ist heu­te deut­lich kom­ple­xer gewor­den als frü­her. Es braucht eine kla­re und ver­ständ­li­che Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on, in der Ver­ant­wort­lich­kei­ten und Hier­ar­chi­en geklärt sind sowie aus­sa­ge­kräf­ti­ge Stel­len­be­schrei­bun­gen vor­lie­gen (Schuler, 2013; Scherm, 2013). Vor allem heißt Orga­ni­sa­ti­on heu­te, Pro­zes­se immer wie­der zu ver­bes­sern und opti­mie­ren (Bea & Haas 2009, S. 177). Denn genau so lässt sich die Effi­zi­enz und ein rei­bungs­lo­ser Ablauf gewähr­leis­ten, was sowohl die Kun­den­zu­frie­den­heit als auch die Qua­li­tät der Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen sowie nach­weis­lich die intrinsi­sche Moti­va­ti­on der Beschäf­tig­ten erhöht (Tur­gut et. al., 2017; Menz & Nies, 2016).

Die Orga­ni­sa­ti­on ist eng sowohl mit dem Qua­li­täts­ma­nage­ment (Brüg­ge­mann & Bre­mer, 2012) ver­knüpft, denn gera­de hier geht es dar­um, bestän­di­ge Ver­bes­se­run­gen inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on zu rea­li­sie­ren. Genau die­ser Impe­ra­tiv der Ver­bes­se­rung von Pro­zes­sen ist dem Qua­li­täts­ma­na-gement schon durch sei­ne gesetz­li­che Grund­la­ge gege­ben (DIN EN ISO 9001: 2008).

Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung besteht also wesent­lich dar­in, alle orga­ni­sa­to­ri­schen Vor­aus­set-zun­gen zu schaf­fen, dass alle Men­schen ihren Poten­zia­len ent­spre­chend arbei­ten kön­nen.

Ent­schei­den als die Kern­auf­ga­be der Füh­rung

Eine Füh­rungs­kraft ist gera­de dadurch defi­niert, dass sie ent­schei­dungs­be­fugt ist, sowie dadurch, dass es auch von ihr erlangt wird, Ent­schei­dun­gen zu tref­fen (Malik, 2011; Malik, 2006). Hier­zu sei ein Zitat ange­führt:

Im Mit­tel­punkt des Füh­rungs­han­deln ste­hen Ent­schei­dun­gen, die fest­le­gen, wie die Arbeit der Men­schen im Unter­neh­men koor­di­niert und die Ent­wick­lung des Unter­neh­mens geprägt wer­den soll.“ (Hun­gen­berg & Wolf 2011, S. 23).                                                                                                                        Das Zitat zeigt noch ein­mal klar auf, wel­che Zen­tra­li­tät das Ent­schei­den für Füh­rungs­han­deln hat. Füh­rungs­kräf­te müs­sen unter ver­schie­de­nen Optio­nen aus­wäh­len, Ent­schei­dun­gen tref­fen und dann auch gut kom­mu­ni­zie­ren kön­nen (Kop­per­schmidt 2000, S. 24), um in der Beleg­schaft ein ent­spre­chen­des Com­mit­ment für Ent­schei­dun­gen gene­rie­ren zu kön­nen. Sie dür­fen sich selbst kei­ne Ent­schei­dungs­aver­si­on (Sta­eh­le 1999, S. 524) leis­ten, denn „ent­schei­dungs­schwach“ ist ganz sicher kein freund­li­ches Attri­but.                                                                                                                                    Es ist eben­falls wich­tig zu wis­sen, ob eine getrof­fe­ne Ent­schei­dung bestimm­ten Mini­mal­be­din­gun­gen genü­gen sol­len oder unbe­dingt die mit der Ent­schei­dung ver­bun­de­nen Zie­le maxi­mie­ren soll (vgl. Tucic, 2015). Genau hier eine gute und begrün­de­te Abwä­gung tref­fen zu kön­nen, ist ganz wesent­li­ches Füh­rungs­han­deln. Füh­rungs­kräf­te soll­ten sowohl ent­schei­dungs­freu­dig als auch Ent­schei­dun­gen reflek­tie­rend sein. Wich­tig ist aber auch, dass sie die Fol­gen ihrer Ent­schei­dun­gen gut abwä­gen kön­nen (Sta­eh­le, 1999), was beinhal­tet, auch die Oppor­tu­ni­tä­ten nicht getrof­fe­ner Ent­schei­dungs­op­tio­nen in das eige­ne Han­deln mit ein­flie­ßen zu las­sen.                                                       Nicht zuletzt müs­sen sie selbst dann auch die getrof­fe­nen Ent­schei­dun­gen kon­se­quent umset­zen und glaub­wür­dig mit per­sön­li­chem Bei­spiel und einem ent­spre­chen­den Arbeits­stil vor­an­ge­hen (Malik, 2011). Genau so wer­den sie dann auch die­je­ni­gen über­zeu­gen kön­nen, die noch ent­spre­chend zwei­feln (vgl. Edmül­ler & Wil­helm, 2014).                                                                                  Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung heißt also, klar und nach­voll­zieh­bar zu ent­schei­den, die Ent­schei­dun­gen gut zu begrün­den und die Ent­schei­dungs­im­ple­men­tie­rung auch per­sön­lich vor­an­zu­trei­ben.

Kon­trol­le und Nach­fas­sen als klein­tei­li­ge und not­wen­di­ge Füh­rungs­auf­ga­be

Es ist wich­tig, dass in Orga­ni­sa­tio­nen und der sozia­len Inter­ak­ti­on von Men­schen Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den. Min­des­tens eben­so wich­tig ist aber auch die Ent­schei­dungs­kon­trol­le (Malik, 2011; Malik, 2006). Sie ist eine ganz zen­tra­le Steue­rungs­auf­ga­be (Ner­din­ger, 2014b), der aber häu­fig zu wenig Auf­merk­sam­keit geschenkt wird. Denn in der Ten­denz wird deut­lich mehr ent­schie­den als umge­setzt wird, was Orga­ni­sa­tio­nen dann ent­spre­chend vor Pro­ble­me stellt.

Orga­ni­sa­tio­nen, vor allem aber Insti­tu­tio­nen zeich­nen sich wesent­lich dadurch aus, dass sie gegen­über ihren Mit­glie­dern Kon­trol­le aus­üben und ein gewis­ses Maß an Füh­rung ein­for­dern (Fou­cault, 1994). Genau die­se Kon­trol­le ist wich­tig, um tat­säch­lich die Din­ge auch in die Rea­li­sie­rung zu bekom­men.

Ein rele­van­tes Instru­ment der kon­se­quen­ten Kon­trol­le von Ent­schei­dun­gen ist eine ange­mes­se­ne Bud­ge­tie­rung, ins­be­son­de­re von Geld und Zeit. Denn so kann die Füh­rungs­kraft auch tat­säch­lich Ein­fluss dar­auf neh­men, mit wel­chem Mit­tel­ein­satz Din­ge mög­lichst getan wer­den. Daher ist die Zuwei­sung ver­schie­de­ner Bud­gets auch ein zen­tra­les Mit­tel, wel­ches für das Füh­rungs­han­deln zur Ver­fü­gung steht (Malik, 2011). Mit­tels neu­er tech­ni­scher Lösun­gen und Algo­rith­men lässt sich die­se Füh­rungs­auf­ga­be zuneh­mend auch exter­na­li­sie­ren (Mau, 2017; Bryn­jolfs­son & McA­fee, 2017).

Aus der Per­so­nal­psy­cho­lo­gie ist bekannt, dass die Gewis­sen­haf­tig­keit nach der all­ge­mei­nen Intel­li­genz die Per­sön­lich­keit ist, die am stärks­ten posi­tiv mit der Arbeits­leis­tung und dem Berufs­er­folg kor­re­liert ist (Riko­on et. al., 2016; Weibler, 2014; Judge & Bono, 2004). Gera­de gewis­sen­haf­ten Men­schen fällt es natür­lich deut­lich leich­ter, Din­ge zu kon­trol­lie­ren, kon­se­quent nach­zu­fas­sen und Sach­ver­hal­te und Ent­schei­dun­gen sowie deren Kon­se­quen­zen strin­gent abzu­ar­bei­ten. Hier liegt die tat­säch­li­che har­te Detail­ar­beit, wel­che mit Füh­rung ein­her­geht. Und selbst­ver­ständ­lich braucht es hier auch ein ent­spre­chen­des Maß an Kon­flikt­be­reit­schaft, um tat­säch­lich die Ent­schei­dungs­rea­li­sa­ti­on auch ange­mes­sen ein­zu­for­dern.                         Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung impli­ziert also, mög­lichst wenig Vor­gän­ge und Pro­zes­se lie­gen zu las­sen und im Zwei­fel auch per­sön­lich nach­zu­fas­sen.

Der Wan­del des Rol­len­ver­ständ­nis­ses: Vom Vor­ge­set­zen zum Coach

Wir leben in Zei­ten des demo­gra­phi­schen Wan­dels, in dem mit­tel- und lang­fris­tig das ver­füg­ba­re Arbeits­kräf­te­an­ge­bot ins­ge­samt ver­knappt wer­den wird (All­men­din­ger & Ebner, 2006). Eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung ist ange­sichts altern­der Beleg­schaf­ten die umfas­sen­de Inte­gra­ti­on und die bestän­di­ge beruf­li­che Wei­ter­bil­dung älte­rer Beschäf­tig­ter (Schmid & Pfetsch, 2018).

Das lebens­lan­ge Ler­nen wird zuneh­mend vom Schlag­wort zu einer umfas­sen­den Rea­li­tät. (Mül­ler-Thurau 2016, S. 11). Dies gilt ins­be­son­de­re natür­lich für Füh­rungs­kräf­te, aber letzt­lich für alle Beschäf­tig­ten in moder­nen, arbeits­tei­li­gen Orga­ni­sa­tio­nen. Die bestän­di­ge Per­so­nal­ent­wick­lung wird kom­ple­xer und anspruchs­vol­ler (Scher­mu­ly et. al., 2012). Vor allem ist es aber wich­tig, dass die Per­so­nal­ent­wick­lung der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter tat­säch­lich als ori­gi­nä­re Füh­rungs­auf­ga­be inter­na­li­siert wird (vgl. Bol­t­an­ski & Chia­pel­lo, 2006).

Die­se gestie­ge­ne Bedeu­tung der Per­so­nal­ent­wick­lung hat ers­tens etwas damit zu tun, dass die Bedeu­tung des Per­so­nals als Erfolgs­fak­tor von Orga­ni­sa­tio­nen heu­te noch viel stär­ker als frü­her im Bewusst­sein von Ent­schei­de­rin­nen und Ent­schei­dern ver­an­kert ist. Pro­zes­se glei­chen sich immer stär­ker an, tech­no­lo­gi­sche Füh­rer­schaft kann schnell wie­der vor­bei sein. Gutes Per­so­nal hin­ge­gen ist ein dau­er­haf­ter und ein­zig­ar­ti­ger Dis­tink­ti­ons­fak­tor gegen­über ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen. Dies zeigt schon der Begriff bzw. das Kon­zept des Human Resour­ce Manage­ment (von Rosen­stiel & Kaschu­be 2013, S. 685f.). Es zeigt, dass die ein­zel­ne Füh­rungs­kraft Ver­ant­wor­tung hat für die eige­ne Abtei­lung und die Zukunft der Orga­ni­sa­ti­on.

Natür­lich ist die­ses Ver­ständ­nis des Vor­ge­setz­ten als Coach nicht unpro­ble­ma­tisch, gera­de aus mikro­po­li­ti­scher Per­spek­ti­ve. Denn natür­lich wol­len die Vor­ge­setz­ten ihre Posi­ti­on behal­ten und könn­ten sich ja dann Kon­kur­renz her­an­zie­hen. Das aber ist viel zu indi­vi­dua­lis­tisch und kurz­schrit­tig gedacht. Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung impli­ziert daher, stets die Orga­ni­sa­ti­on ins­ge­samt zu den­ken. Um genau das zu rea­li­sie­ren, muss das Per­so­nal bestän­dig wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den.

Idea­li­sier­ter Ein­fluss als ers­tes Ele­ment trans­for­ma­tio­na­ler Füh­rung

Wich­tig im Füh­rungs­han­deln ist es, die Mit­glie­der der Orga­ni­sa­ti­on nicht nur ratio­nal zu über­zeu­gen, son­dern auch emo­tio­nal und intui­tiv mit­zu­neh­men (Haidt, 2012). Dies ist ganz wesent­lich, um tat­säch­li­ches Com­mit­ment, also Bin­dung sowohl zur Orga­ni­sa­ti­on als auch zur Füh­rungs­kraft, her­zu­stel­len (Ner­din­ger, 2014b; Bass, 2010).

Hier­zu ist es wich­tig, das eige­ne Han­deln gut begrün­den zu kön­nen (vgl. Kop­per­schmidt, 2000) und die eige­ne Wer­te­ba­sis in das eige­ne Han­deln ein­flie­ßen zu las­sen. Dies geschieht, indem eine wer­te­ba­sier­te Anspra­che und Argu­men­ta­ti­on ein direk­tes Mit­tel des eige­nen Füh­rungs­han­delns ist und ins­be­son­de­re die Kom­mu­ni­ka­ti­on von Ent­schei­dun­gen prägt. Denn gera­de Erwar­tun­gen, die ich an ande­re stel­le, also eine gewünsch­te Nor­ma­ti­vi­tät des Han­delns ande­rer, soll­te an Wer­ten aus­ge-rich­tet sein (Forst, 2015; Hal­big, 2003). Genau das beschreibt den nöti­gen idea­li­sier­ten Ein­fluss.

Ein Kon­zept, was ent­spre­chend über­lap­pend ist mit dem idea­li­sier­ten Ein­fluss, und wel­ches eng mit Trans­for­ma­tio­na­ler Füh­rung kor­re­liert, ist jenes der Authen­ti­schen Füh­rung (Fran­ke-Bar­thold et. al., 2018; Med­lock, 2012). Hier geht es dar­um, eine inter­na­li­sier­te mora­lisch Per­spek­ti­ve auf­zu­zei­gen, ethisch zu han­deln, trans­pa­rent als Füh­rungs­kraft vor­zu­ge­hen und die Ent­wick­lung der Beschäf­tig­ten zu ermög­li­chen (Fran­ke-Bar­thold et. al., 2012). All dies sind eben­falls Ele­men­te des idea­li­sier­ten Ein­flus­ses einer Füh­rungs­kraft.                                                                                                             Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung drückt sich also in star­kem Maße dar­in aus, emo­tio­nal intel­li­gent und wer­te­ba­siert zu han­deln und zu kom­mu­ni­zie­ren.

Kon­zep­tua­li­sie­rung einer moti­vie­ren­den Mis­si­on als kla­rer Füh­rungs­auf­ga­be

Hel­mut Schmidt sag­te einst den legen­dä­ren Satz: Wer Visio­nen hat, muss zum Augen­arzt. Dies jedoch mein­te er auch iro­nisch, denn ihm war klar, dass gera­de auch poli­ti­sche Füh­rungs­kräf­te eine Idee davon haben müs­sen, wo sie mit ihrer Orga­ni­sa­ti­on, ihrer Abtei­lung oder ihrem Team hin­wol­len. Es ist, gera­de ange­sichts des­sen, dass es viel­fa­che Zukunfts­ängs­te von Men­schen gibt (Hara­ri, 2018; Yogeshwar, 2017; Bau­man, 2017), ins­be­son­de­re auch im Hin­blick auf das Arbeits­le­ben (Jür­gens, 2018), eine posi­ti­ve Idee der Zukunft zu haben.

Es geht bei der moti­vie­ren­den Mis­si­on also tat­säch­lich um so etwas wie ein visio­nä­res Manage­ment (Herr­mann 2012, S. 137; Hun­gen­berg & Wolf  2011, S. 63;  Bass 2010, S. 11). Eine Füh­rungs­kraft ist ja genau des­halb eine Füh­rungs­kraft, weil ihr zuge­traut wird, die Marsch­rou­te für eine Orga­ni­sa­ti­on zu prä­gen und dabei dann auch alle ange­mes­sen mit­zu­neh­men. Das heißt, es geht zunächst ein­mal um die Fähig­keit, stra­te­gisch und vor­aus­schau­end zu den­ken (Malik, 2011), da dies die ele­men­ta­re Vor­aus­set­zung für eine moti­vie­ren­de Mis­si­on ist. Dann gilt es, die­se Zukunfts­idee kon­kret zu unter­set­zen und klar zu kom­mu­ni­zie­ren (Ling et. al. 2018). Eine moti­vie­ren­de Mis­si­on ist das eine, es braucht dann aber auch die ent­spre­chen­de Fähig­keit zu einem effek­ti­ven Chan­ge Manage­ment (Bicke­rich & Bickel, 2016; Weibler, 2014; Herr­mann et. al., 2012).

All dies setzt natür­lich eine ent­spre­chen­de Selbst­re­fle­xi­vi­tät der Füh­rungs­kraft vor­aus. Sie muss zunächst für sich selbst eine kla­re Zukunfts­idee ent­wi­ckeln und sie dann klar kom­mu­ni­zie­ren und vor­le­ben kön­nen. Gera­de dies beschreibt die Grund­idee der Trans­for­ma­tio­na­len Füh­rung im Kern. Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung bedeu­te­te dem­entspre­chend, eine kla­re und posi­ti­ve Zukunfts­idee zu ent­wi­ckeln und mög­lichst alle für die­se orga­ni­sa­tio­na­le Mis­si­on zu begeis­tern.

Kom­ple­xi­tät gemein­sam bewäl­ti­gen: Intel­lek­tu­el­le Sti­mu­la­ti­on

Wir haben es, wesent­lich bedingt durch die grund­le­gen­den Pro­zes­se der Glo­ba­li­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung, heu­te mit einer Wis­sens­ex­plo­si­on zu tun. Die Gesell­schaft wan­delt sich zuneh­mend zu einer Wis­sens­ge­sell­schaft, in der ins­be­son­de­re Digi­tal­kom­pe­ten­zen immer wich­ti­ger wer­den (Mau, 2017; Bryn­jolfs­son & McA­fee, 2014). Der Anspruch lebens­lang zu ler­nen, er wird immer stär­ker inter­na­li­siert, und er ist auch für immer mehr Beschäf­tig­te tat­säch­lich Rea­li­tät (Kop­petsch, 2015).

Eine Füh­rungs­kraft soll ihre Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter immer wie­der zum Den­ken anre­gen und zum Wei­ter­ler­nen bewe­gen. Sie soll geis­ti­ge Frei­räu­me ermög­li­chen, selbst in hin­rei­chen­dem Maße offen sein und Kri­tik und das Hin­ter­fra­gen von Sach­ver­hal­ten und Pro­zes­sen mög­lichst nicht nur selbst tun (Vin­cent-Höper et. al., 2017) son­dern auch ermög­li­chen. Genau dies beschreibt im Kern die Anfor­de­rung der intel­lek­tu­el­len Sti­mu­la­ti­on, wel­che eine Teil­kom­po­nen­te der Trans­for­ma­tio­na­len Füh­rung dar­stellt. Die­se geis­ti­ge Offen­heit und die Fähig­keit zur intel­lek­tu­el­len Sti­mu­la­ti­on stellt auch eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für inno­va­ti­ves Ver­hal­ten dar (Park et. al., 2018).

Dem­entspre­chend hat die Füh­rungs­kraft dafür Sor­ge zu tra­gen, dass die beruf­li­che Wei­ter­bil­dung immer wei­ter vor­an­schrei­tet (Becker & Schö­mann, 2015). Ins­be­son­de­re älte­re Beschäf­tig­te sol­len ein­ge­bun­den und ihr Wis­sen und ihre Poten­zia­le genutzt und für die Orga­ni­sa­ti­on frucht­bar gemacht wer­den (Schmid & Pfetsch, 2018).                                                                                                     Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung führt dazu, dass bestän­dig neue geis­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen ange­bo­ten und ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven auf­ge­zeigt wer­den. Denn so kann Kom­ple­xi­tät über­haupt hand­hab­bar gemacht wer­den.

Indi­vi­du­el­le Zuwen­dung als Kern­ele­ment von Wert­schät­zung und trans­for­ma­tio­na­ler Füh­rung

In der Psy­cho­lo­gie ist es unum­strit­ten, dass Men­schen nach Wert­schät­zung stre­ben. Auch wenn das indi­vi­du­el­le Bedürf­nis hier­nach unter­schied­lich star­ka aus­ge­prägt ist, so seh­nen wir uns doch alle danach, aner­kannt und wert­ge­schätzt zu wer­den (vgl. Morf & Koo­le, 2014). Die­se Wert­schät­zung gera­de auch kom­mu­ni­ka­tiv zu ver­mit­teln, ist eine wich­ti­ge Facet­te moder­ner Füh­rung und ange­mes­se­ner Gesprächs­füh­rung (von Kanitz & Schar­lau, 2014) Gera­de trans­for­ma­tio­na­le Füh­rung hat sehr viel mit indi­vi­du­el­ler Wert­schät­zung zu tun (Vin­cent-Höper et. al., 2017).

Jede ein­zel­ne Mit­ar­bei­te­rin und jeder ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter soll­te Auf­merk­sam­keit und Zuwen­dung bekom­men. Der jewei­li­ge Bei­trag der geleis­te­ten Arbeit zum Gesamt­erfolg soll­te immer wie­der ver­deut­lich wer­den. Aller­dings soll­te auch ganz klar eine ech­te per­sön­li­che Wert­schät­zung gege­ben sein. Denn eini­gen Men­schen ist es deut­lich wich­ti­ger, per­sön­lich gemocht zu wer­den statt für ihre Arbeit (vgl. Gay, 2008).

Die­se indi­vi­du­el­le Zuwen­dung hat natür­lich bestimm­te per­sön­li­che Vor­aus­set­zun­gen. Ein ent­spre­chen­des Maß an Empa­thie, Güte und Auf­merk­sam­keit sind wich­tig, um sich tat­säch­lich den eige­nen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern zuwen­den zu kön­nen. Denn im Kern bedeu­tet indi­vi­du­el­le Zuwen­dung, dass Füh­rungs­kräf­te heut­zu­ta­ge eben auch emo­tio­nal unter­stüt­zend sind, wenn dies gewünscht und sinn­voll ist (van de Ven et. al., 2013). Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung beinhal­tet dem­entspre­chend, dass die­se wich­ti­gen per­so­na­len Kom­pe­ten­zen und soft skills aller Beschäf­tig­ten ent­wi­ckelt wer­den (Scher­mu­ly et. al., 2012).

Die Bedeu­tung von Feed­back für heu­ti­ges Füh­rungs­ver­hal­ten

Feed­back ist wohl das wich­tigs­te all­täg­li­che Füh­rungs­in­stru­ment. Durch Feed­back wis­sen die Beschäf­tig­ten, wo sie ste­hen und was sie gege­be­nen­falls anders machen kön­nen. Gutes Feed­back hängt nach­weis­lich posi­tiv mit Arbeits­en­ga­ge­ment zusam­men (Bak­ker et. al., 2011). Regel­mä­ßi­ges Feed­back ist ein Kern­ele­ment von authen­ti­scher Füh­rung (Fran­ke-Bar­tholdt et. al., 2018) Der zen­tra­le psy­cho­lo­gi­sche Mecha­nis­mus des Feed­backs ist jedoch der, dass die Beschäf­tig­ten sich gese­hen füh­len und eine ent­spre­chen­de Reso­nanz für ihre Arbeit erfah­ren (Rosa, 2016).

Feed­back ins­be­son­de­re zur jeweils geleis­te­ten Arbeit ist beson­ders wich­tig für Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter mit einem hohen Leis­tungs­mo­tiv. Denn die­se wol­len ihre eige­ne Arbeit ste­tig ver­bes­sern und benö­ti­gen dafür einen Refe­renz­maß­stab (Schult­heiss & Brun­stein, 2010). Genau die­sen kann dann das Feed­back der Füh­rungs­kräf­te lie­fern (Malik, 2011). Es zeigt sich, dass ins­be­son­de bei jün­ge­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter das Bedürf­nis nach Feed­back stär­ker ist (Fie­ge et. al., 2013). Dies kommt wesent­lich daher, dass sie in eine Feed­back­kul­tur hin­ein­so­zia­li­siert wer­den, zu der bestän­di­ge Bewer­tun­gen eine Art von Cas­ting­kul­tur gehö­ren (vgl. Reck­witz, 2018), sei es durch Likes, Fol­lo­wer oder eben die zuneh­men­de Kul­tur unmit­tel­ba­rer Rück­mel­dun­gen. Die­ses soll­te auch ent­spre­chend erfüllt wer­den, auch wenn nicht jede Arbeit Feed­back braucht.

Zen­tral ist jedoch: Feed­back macht die Kom­ple­xi­tät von Arbeits­auf­ga­ben hand­hab­ba­rer und schafft Sicher­heit in Bezug auf die eige­ne Arbeits­rol­le. Denn durch Feed­back kön­nen nicht nur beruf­li­che Leis­tun­gen gewür­digt und kri­ti­siert wer­den, son­dern auch die jeweils eige­ne Arbeits­rol­le und Ver­ant­wor­tung defi­niert wer­den, was nach­weis­lich nicht nur gut für die Pro­duk­ti­vi­tät der Beschäf­tig­ten ist, son­dern auch stress­re­du­zie­rend wirkt (Tur­gut et. al., 2017). Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung bedeu­tet also: lie­ber ein­mal mehr als ein­mal weni­ger feed­ba­cken.

Kla­rer Leis­tungs­fo­kus als Kern­ele­ment heu­ti­ger Füh­rung

Füh­rung dient vor­wie­gend dem Erfolg der Orga­ni­sa­ti­on sowie der Ermög­li­chung der Rea­li­sie­rung des Poten­zi­als der Beschäf­tig­ten. Daher soll­te gute Füh­rung auch klar auf Leis­tung aus­ge­rich­tet und eine ent­spre­chen­de Resul­ta­t­ori­en­tie­rung auf­wei­sen (Malik, 2011), den Beschäf­tig­ten hier­bei aber auch kla­re Frei­räu­me geben. In den Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­chen, Feed­back­ge­sprä­chen sowie den kom­mu­ni­zier­ten Erwar­tun­gen soll­te deut­lich wer­den, dass Leis­tung nicht ein­fach nur gewünscht wird, son­dern schlicht­weg auch nor­ma­tiv erwar­tet wird.

Vie­le Beschäf­tig­te haben selbst einen kla­ren Leis­tungs­fo­kus (Kho­lin & Blick­le, 2015), und sie erwar­ten auch Leis­tungs­ge­rech­tig­keit inner­halb von Orga­ni­sa­tio­nen (Tul­li­us & Wolf, 2016). Ins­be­son­de­re jün­ge­re und hoch­qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter affir­mie­ren in beson­de­rem Maße das Leis­tungs­prin­zip (Hill­mann 2003, S. 216). Genau die­sen Bedürf­nis­sen soll­te dann auch im Füh­rungs­han­deln ent­spro­chen wer­den, um die intrinsi­sche Moti­va­ti­on zu sti­mu­lie­ren, aber auch einer wich­ti­gen Facet­te des Gerech­tig­keits­emp­fin­dens von Beschäf­tig­ten Rech­nung zu tra­gen. Dies impli­ziert auch, dass Leis­tungs­ver­wei­ge­rung ent­spre­chen­de Kon­se­quen­zen haben soll­te und schon durch die Orga­ni­sa­ti­ons­kul­tur und das Füh­rungs­ver­hal­ten deut­lich wird, dass eine gerin­ge oder gar inexis­ten­te beruf­li­che Per­form­anz nor­ma­tiv inak­zep­ta­bel ist. Natür­lich ist es wich­tig, dass die Füh­rungs­per­sön­lich­keit mit gutem Bei­spiel vor­an­geht und selbst ent­spre­chend Leis­tung bringt und das Leis­tungs­prin­zip vor­lebt (Malik, 2006). Kom­ple­xi­täts­ad­äqua­te Füh­rung heißt also: Leis­tung ein­zu­for­dern und vor­zu­le­ben.

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Dr. Moritz Kirch­ner

Geschäfts­füh­ren­der Gesell­schaf­ter des Insti­tuts für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Gesell­schaft.